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Ad Fraud - wenn Online Werbung nur Maschinen erreicht

Ad Fraud - Klickbetrug ist wieder in den Medien. Mehrere Protagonisten behaupten, sie könnten Ad Fraud erfolgreich verhindern. Doch wie steht es nun wirklich? Symptombekämpfung als lukratives Geschäftsmodell oder echte Hilfe?

Das Problem des Ad Fraud existiert schon fast so lange wie das Internet selbst. Durch die Abkehr vom bewussten Umfeld orientierten Einkauf zu Programmatic Advertising ist das Übel aber zur Seuche mutiert. Der automatisierte Marktplatz für Onlinewerbung – bei der Anbieter und Kunden Werbeplätze dynamisch anbieten und kaufen, ist besonders anfällig für diese Art von Betrug. Mit Methbot, dem letzten durch die US Fraud Spezialisten von White Ops aufgedeckten Betrug Ende 2016 wurde klar – mit 9 Mio. US Dollar pro Tag, hat der Onlinewerbung-Betrug eine Dimension erreicht, die niemand mehr ignorieren kann. Hier handelt es sich nicht mehr um übermütige Kids oder Hobby Betrüger, sondern um professionelle multinational handelnde Cyber Kriminelle. Der Gesamtschaden liegt je nach Studie für 2016 zwischen 7.2 Milliarden (ANA/WhiteOps) und 8.3 Milliarden Dollar (IAB/Ernest Young).

Methbot – eine neue Aera des Online Betrugs

Erstmals wurden bei Methbot nicht nur durch Malware infizierte Computer für betrügerische Zwecke missbraucht, sondern sehr smart und technisch hochstehend mittels Serverfarmen in den USA und Europa, gefälschten Domains, umgelenkten IP Adressen und Mensch-Simulatoren die Detektionskriterien der Fraud-Protection Firmen clever umgangen. Gemäss White Ops muss davon ausgegangen werden, dass die Methbot Macher per Reverse Engineering die Detektionsmechanismen der Fraud Protection Firmen auskundschaftet haben.

Methbot setzt Server in den USA und Europa ein. Methbot ist bisher der mit Abstand aufwändigste aber auch erfolgreichste Bot Betrug. Naja für 9 Millionen pro Tag alleine in den USA kann man auch etwas Aufwand treiben, oder? Die ehemaligen Hacker von White Ops brauchten Monate um Methbot auf die Schliche zu kommen. Gekonnt haben die Betrüger sogar menschliches Verhalten simuliert. Videos wurden durch die Bots mittendrin angehalten, vor- oder zurückgespult, und willkürliche Mausbewegungen simuliert.

Vorbei sind die Zeiten, als die Fraud Protection Firmen infizierte Privatcomputer sehr schnell indentifizieren und damit aus dem "Verkehr" ziehen konnten (zumindest für betrügerische Werbekontakte). Der endlose Wettlauf, welcher bisher oft unentschieden ausging, weil für jeden identifizierten PC auf der anderen Seite ein neuer PC mit einem neuen Bot infiziert wurde, hat durch Methbot neue Spielregeln erhalten. Die Cyberkriminellen bauen sich nun ihre eigene virtuelle Bot-Armee, statt die schlecht geschützten Computer von Gutgläubigen zu infizieren und zu ferngesteuerten Werbe-Zombies zu machen.

Business Modell Fraud Protection

Fraud Protection ist inzwischen zum lukrativen Geschäft geworden. So versprechen Unternehmen Werbeauftraggeber vor dem Betrug mit Online Werbung zu beschützen. Wenn man sich die Gegenspieler anschaut, ist hier aber eine gute Prise Skepsis angebracht. Bisher konnte noch keiner der Fraud Protection Spezialisten wissenschaftliche Blindtests zufriedenstellend bestehen. "In einem Blindtest der ANA lagen die Ergebnisse der Fraud Protection Firmen so weit auseinander, das man nicht mal von gut schätzen reden kann", erwähnte Adello CEO Mark Foster an der Programmatic Podiums Diskussion. Adello gibt an, zumindest für MobileAds ein Mittel gegen Ad Fraud gefunden zu haben (Anmerkung der Redaktion: Botnets spielen im MobileAd Bereich noch keine wirklich bedeutende Rolle). Aber selbst Facebook und Google sind den Methbot Betrügern auf den Leim gegangen. Beides Unternehmen, welche jedes über deutlich grössere Ressourcen verfügt, als alle Fraud Protection Unternehmen zusammen. Wir bleiben also gespannt auf die weitere Beweisführung. Die bisherige Fraud Strategie greift nicht oder zu kurz.

Schaden in Millionenhöhe auch in der Schweiz

Wie stark Europa oder die Schweiz von Fraud betroffen sind, kann niemand abschliessend messen oder beurteilen. Unbestritten ist, dass Fraud auch hier ein immer grösseres Problem darstellt. Der Umfang hängt unter anderem auch vom Anteil von Programmatic Advertising im jeweiligen Markt ab. Diese automatisierten Handelsplätze werden von den Onlinewerbung-Betrügern bevorzugt, weil dort die Botfarmen einfacher angeboten werden können. Zum Anteil von Programmatic gibt es nur Schätzungen: 10-20% sollen es in der Schweiz aktuell sein. Je nachdem, wo die unzähligen Targeting-Produkte ihr Inventar beziehen, könnte der Risiko-Anteil aber auch deutlich höher sein. Leider mangelt es auch hier an Transparenz. Gemäss Media Focus Expertenschätzungen belief sich der Online Umsatz im 2016 in der Schweiz auf 1.135 Milliarden Franken. Damit könnte der Betrugsschaden auch in der Schweiz in die Millionen gehen. Gemäss Fraud Protection Anbietern liegt der Anteil von Ad Fraud bei ca. 10%, wobei teurere Werbemittel stärker betroffen sind (z.B. Video) als günstige.

Wie reduzieren Werbekunden das Risiko?

Werbekunden, welche sich dem Risiko Ad Fraud nicht aussetzen möchten, kann man nur einen Rat geben: seien Sie kritisch, verlangen sie Transparenz über die Zuliefererkette (Supply Chain) und Finger weg von intransparenten Programmatic Advertising und Trageting Produkten. Zudem wäre ein Zusatz in Ihren Mediaaufträgen zu erwägen: wir bezahlen nicht für "nonhuman Traffic".

Machen sie klar, was sie erwarten: sichtbare, messbare Kontakte zu Menschen. Da können allerdings auch die IAB Standards für Display Ads, welche sich mit 50% des Werbemittels und 1 Sekunde Sichtbarkeit begnügen, nicht überzeugen. Das ein Video nach 2 Sekunden, zur Hälfte im sichtbaren Bereich, als "gesehen" gemessen wird, noch viel weniger. Dazu aber vielleicht mehr an anderer Stelle (wie wär es mit einem Besuch eines Online-Challenge Workshops? Infos hier).

Fokus Return on Investment

Grundsätzlich sollte man beim Online-Budget vermehrt ein Auge auf den Return on Investment legen. Denn trotz der Versprechungen von verbesserter Werbeaussteuerung, Targeting und Effizienz, sinken die Conversion-Rates, Interaktionsraten und damit der ROI laufend. Das hat Einfluss auf ihr Business. Aktuelles Beispiel: der Umsatz von Procter & Gamble (Marken wie Lenor, Ariel oder Always) brach seit dem signifikanten Shift der TV-Werbegelder hin zu Targeting, digitalen und Social Media weltweit im vergangenen Jahr um 8 Prozent ein. P&G hat nun ihre Werbebudgets umgehend wieder in klassische Reichweitenmedien zurückgeshiftet.

Auf messbare Erfolgsstories von Firmen welche ihre Marketingbudgets in Online Medien umgeshiftet haben, wartet die Branche bislang noch vergebens. Schade. Selbst Online Unternehmen wie Zalando, Trivago, Apple, Facebook und Digitec setzen auf klassische Reichweitenmedien um ihr Marketing zu befeuern. Mit ein Grund dafür, ist sicher auch der Ad Fraud - und der damit verbundene immense Digital-Budget-Streuverlust, welcher im Gegensatz zum klassischen Streuverlust nicht nur die "falschen" Menschen, sondern eben nur Maschinen erreicht - also ein Verlust pur.

 

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